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Die 8 häufigsten Denkfehler

„Die Menschen haben keine Angst vor den Dingen, sondern davor, wie sie sie betrachten.“

Epiktet

Wendeltreppe von oben betrachtet

Was wäre der Mensch, ohne seine Fähigkeit zum bewussten Denken? Schon der Philosoph Descartes hat Mitte des 17. Jahrhunderts mit seinem berühmten Ausspruch „Ich denke, also bin ich“ auf die einzigartige Bedeutung unseres menschlichen Verstandes hingewiesen. Unser außerordentliches Denkvermögen ist ohne Zweifel eine der beeindruckendsten Eigenschaften des Menschen. In einer Welt, die uns permanent mit Reizen und Informationen überflutet, wäre ohne dieses eine sinnvolle Orientierung und ein schnelles Erfassen komplexer Sachverhalte kaum möglich. So effizient und praktisch unser menschliches Denkvermögen in vielen Situationen auch ist, verleitet es uns allerdings auch oft auch zu falschen Annahmen und unlogischen Schlussfolgerungen, die dann wiederum psychisches Leid verursachen und aufrechterhalten können.


Einer der Wegbereiter der kognitiven (Verhaltens-)Therapie, der US-amerikanische Psychotherapeut Aaron Beck, beschäftigte sich im Rahmen seiner Forschung zur Entstehung von Depressionen ausgiebig mit Denkprozessen und ihren Auswirkungen auf emotionales Erleben. Er machte die Beobachtung, dass die oft blitzartig und unbewusst auftretenden automatischen Gedanken unseres Alltages einen großen Einfluss auf unser Gefühlserleben haben, da sie nur selten bewusst hinterfragt werden und somit sehr fehleranfällig sind. Die von Beck beobachteten „Denkfehler“ bzw. „kognitiven Verzerrungen“ (die sich auch oft bei gesunden Personen beobachten lassen), führen im ungünstigsten Fall zu falschen Annahmen und einer verzerrten Wahrnehmung der Realität. Die Folge sind dann oft belastende Gefühle und unangemessene Verhaltensweisen, die im Sinne eines Teufelskreises zu einer Aufrechterhaltung der verzerrten Sichtweisen beitragen.


Somit stellen die von Beck beobachteten Denkfehler einen (vermeidbaren) Risikofaktor für psychische Beschwerden dar, der nachweislich auch für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Ängsten eine große Rolle spielt. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl der am häufigsten im Zusammenhang mit Angst auftretenden Denkfehler (die auch häufig gemeinsam auftreten).


Die 8 häufigsten Denkfehler und ihre Auswirkungen:

1) Katastrophisieren: Bei diesem Denkfehler werden ohne Beweisgrundlage zukünftige Katastrophenszenarien ausgemalt, es wird also ungerechtfertigterweise vom Schlimmsten ausgegangen.

  • Beispiel Redeangst: „Ich werde bei meinem Vortrag ins Stocken geraten, ein knallrotes Gesicht bekommen und mich vor allen blamieren.“

  • Beispiel Prüfungsangst: „Ich werde bei der Prüfung sicher durchfallen.“

  • Beispiel Aufzugangst: „Der Aufzug bleibt stecken, ich bekomme Atemnot und falle in Ohnmacht.“

  • Beispiel Flugangst: „Das Flugzeug stürzt ab und reißt uns alle in den Tod.“

Gegenbeweise für diese Annahmen (z.B., dass man sich auf Vortrag oder Prüfung gut vorbereitet hat oder dass Aufzüge und Flugzeuge heutzutage sehr sicher sind usw.) werden hierbei ausgeblendet und die genannten Situationen werden in der Folge oft vermieden, wodurch die falschen Annahmen nicht widerlegt werden und somit fortbestehen. Angst führt überdies zu einer verstärkten Fokussierung der Aufmerksamkeit auf mögliche Gefahren und Risiken (z.B. Artikel über Flugzeugabstürze in der Zeitung), wodurch die Welt für die Betroffenen fälschlicherweise nur aus Unheil und Katastrophen zu bestehen scheint.


2) Emotionale Beweisführung: Dieser Denkfehler besteht im Fehlschluss von einer inneren Befindlichkeit auf äußere Tatsachen. Im Falle der Angst wird von körperlichen oder psychischen Symptomen auf eine reale äußere Gefahr geschlossen, nach dem Motto: „Wenn ich Angst davor habe, dann muss es auch gefährlich sein“. Beispiele:

  • „Ich fühle mich sehr angespannt und nervös. Andere werden dies sofort merken und mich dann für merkwürdig und unsympathisch halten.“

  • „Ich bin total aufgeregt und werde deshalb bestimmt abgelehnt im Vorstellungsgespräch.“

  • “Das Vorstellungsgespräch lief zwar ganz gut, aber mein Gefühl sagt mir trotzdem, dass ich eine Absage erhalten werde."

Auch dieser Denkfehler stellt einen Trugschluss dar, da auch trotz Angst und Aufregung gute Leistungen erbracht und Sympathien geweckt werden können. Zudem begünstigt dieser ebenfalls ungünstiges Vermeidungsverhalten – warum sollte man sich schließlich auch freiwillig in eine Situation begeben, die man (fälschlicherweise) als reale Gefahr einschätzt…


3) Willkürliches Schlussfolgern: Bei diesem Denkfehler werden voreilige Schlussfolgerungen ohne ausreichendes Beweismaterial gezogen. Beispiele:

  • „Die Schwierigkeiten an meinem ersten Arbeitstag haben mir klargemacht, dass ich dem Job nicht gewachsen bin“

  • Man verspürt morgens nach dem Aufwachen ein nervöses Gefühl im Bauch und denkt sich: „Der Tag ist gelaufen, ich werde nichts auf die Reihe bekommen“.

4) Übergeneralisierung: Ähnlich wie beim willkürlichen Schlussfolgern wird hier ein allumfassender Schluss aufgrund eines einzelnen Ereignisses gezogen. Es wird also fälschlicherweise von einer einzelnen, umschriebenen Situation auf das große Ganze verallgemeinert. Beispiele:

  • Man verspürt übermäßige Nervosität in einer spezifischen Situation und denkt sich: „Diese Angst werde ich wohl niemals los“ (nach dem Motto: „Was einmal so war, wird immer so sein.“)

  • Situationsabhängige Misserfolge werden mit der gesamten Person gleichgesetzt: Der Kellner, der versehentlich ein Glas verschüttet hat, denkt sich: „Immer läuft alles schief, ich bin vollkommen unfähig“.

  • In einer harmlosen Situation (z.B. im Aufzug, beim Busfahren oder im Restaurant) kommt es einmalig zu Angstsymptomen, woraufhin diese und ihr ähnelnde Situationen zukünftig als „immer gefährlich“ eingeschätzt und vermieden werden.

Übermäßige Verallgemeinerungen entbehren oftmals jeglicher Beweise und verzerren somit die Tatsachen. In der Regel sind Generalisierungen an bestimmten Schlüsselwörtern wie „nie“, „immer“, „völlig“, „niemand“, „jeder“, „vollkommen“ oder „grundsätzlich“ zu erkennen. Die mit ihnen einhergehende Vermeidungstendenz hält die unangemessenen Befürchtungen oder Ängste oft langfristig aufrecht, da so keine gegenteiligen Erfahrungen ermöglicht werden.


5) Alles-oder-nichts-Denken bzw. Schwarz-Weiß-Denken: Kategoriendenken, bei dem es nur zwei Extreme ohne Zwischenstufen gibt. Beispiel: „Entweder mein Vortrag wird ein voller Erfolg oder ich habe total versagt“. Die Wirklichkeit ist in der Regel deutlich differenzierter, als dieser Denkfehler nahelegt. Zudem erzeugt ein solches Denken starken Leistungsdruck und Versagensängste.


6) Selektive Wahrnehmung („Tunnelblick“ bzw. „mentaler Filter“): Es wird nur ein Aspekt einer Situation gesehen und übermäßig hervorgehoben, wohingegen widersprechende Informationen ausgeblendet werden. Beispiel: „Nach meinem Vortrag hat eine Person im Publikum nicht geklatscht. Offensichtlich war mein Auftreten nicht überzeugend.“ Auch hier werden durch eine unlogische, einseitig verzerrte Sichtweise Leistungsängste geschürt.


7) Übertriebenes Verantwortungsgefühl: Dieser Denkfehler beschreibt die Tendenz, sich übermäßige Verantwortung für negative Ereignisse zuzuschreiben, also auch für Dinge, die außerhalb des eigenen Einflusses liegen. Hängt eng mit dem Denkfehler des 8) Personalisierens zusammen, bei dem Ereignisse vorschnell auf sich selbst bezogen und dabei äußere Umstände sowie andere Personen außer Acht gelassen werden. Beispiele:

  • „Wenn ich nicht alles selbst mache, geht hier alles den Bach runter.“

  • „Mein Vorgesetzter ist aber schlecht gelaunt heute, das hat bestimmt etwas mit mir zu tun.“

  • „Meine Tochter hat eine Fünf in der Matheprüfung geschrieben. Was bin ich für eine schlechte Mutter.“

Mögliche Folgen dieser kognitiven Verzerrung umfassen übermäßigen Stress, Leistungsdruck, Versagensängste, anhaltende Sorgen, übermäßiges Kontrollverhalten sowie Selbstvorwürfe. Stattdessen gilt es, eine realistische Sicht auf die Dinge einzunehmen und nur für Ereignisse die Verantwortung zu übernehmen, die der eigenen Kontrolle unterliegen.


Schlussfolgerungen - Der richtige Umgang mit Denkfehlern:

Aus Sicht der kognitiven Verhaltenstherapie müsste das eingangs zitierte Sprichwort von Descartes also eher lauten: „Ich denke, also irre ich“. Wenn wir die Welt durch die verzerrende Brille unserer Denkfehler wahrnehmen, ohne uns dieser Brille bewusst zu sein, kann das gravierende emotionale und verhaltensbezogene Folgen haben. So führt beispielsweise katastrophisierendes Denken häufig zu lähmender Angst und Passivität, sodass wichtige Entscheidungen vermieden oder aufgeschoben werden. Dies begünstigt dann z.B. ein Verharren in einer unglücklichen Beziehung oder einer aussichtslosen Arbeitstätigkeit, aufgrund des Fehlschlusses „doch bestimmt keine bessere mehr zu finden“.


Da gerade Vermeidung eines der Hauptprobleme im Rahmen von Ängsten darstellt (s. dazu auch meinen Blogartikel zum Thema Vermeidung), gilt es zunächst, sich der Existenz der genannten Denkfehler und ihrer Auswirkungen bewusst zu werden. Wenn Sie also in einer bestimmten Situation ein aufkommendes Gefühl registrieren, dann hören Sie aufmerksam in sich hinein und fragen sich, welcher (automatische) Gedanke Ihnen gerade durch den Kopf ging. Sobald Sie Ihre automatischen Gedanken bewusst erkennen, können Sie diese auf möglicherweise bestehende Denkfehler hin untersuchen. Dies kommt einem Bewusstwerden und Abnehmen der verzerrenden Brille gleich, sodass wieder ein realistischer Blick auf die Welt möglich wird.


Hierzu kann das Führen eines schriftlichen Gedankenprotokolls (mit drei Spalten: Situation | Gedanke | Gefühl) im Alltag hilfreich sein, welches dann im Anschluss auf mögliche Denkfehler überprüft werden kann. Das Erkennen der eigenen automatischen Gedanken kann anfänglich ungewohnt und schwierig sein, es wird Ihnen mit zunehmender Übung jedoch immer leichter fallen.


Im nächsten Schritt gilt es, eine Neueinschätzung der unangemessenen Gedanken in Richtung einer objektiveren Sichtweise vorzunehmen. Fragen Sie sich hierzu zum Beispiel: „Sind meine Gedanken in Bezug auf diese Situation objektiv? Wie könnte man die Situation noch sehen? Was würde mein bester Freund/meine beste Freundin zu dieser Situation sagen? Wie würde ein Wissenschaftler oder Richter diese Situation beurteilen?“. Ziel ist es nicht, die Situation unangemessen zu beschönigen (nach dem Motto: „Man muss doch nur positiv denken“), sondern zu einer ausgewogenen, realitätsnahen Sichtweise zu gelangen.


Vergegenwärtigen Sie sich zum Beispiel im Fall des Katastrophisierens neben dem Katastrophenszenario auch einmal den bestmöglichen sowie den wahrscheinlichsten Ausgang einer Situation. Auch der Gedanke an alle nicht eingetroffenen Katastrophen Ihres bisherigen Lebens kann helfen, zu einer objektiveren „Gefahreneinschätzung“ zu gelangen.


Überlegen Sie auch, ob und wie Sie Ihre Befürchtungen ganz konkret überprüfen könnten, z.B. indem Sie andere Personen um deren Einschätzung bitten oder sich selbst durch entschlossenes Handeln (statt Mutmaßen) ein objektiveres Bild von der Situation machen.


Lassen Sie Fakten für sich sprechen, statt bloßer Gedanken!


 

Wünschen Sie sich individuelle und persönliche Unterstützung bei der Loslösung von problematischen Denkmustern und der Überwindung von Ängsten, dann kontaktieren Sie mich gerne zur Vereinbarung eines kostenlosen, unverbindlichen Kennenlerngespräches. Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!

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