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Beobachten statt teilnehmen!

“An unseren Gedanken leiden wir mehr als an den Tatsachen”

(Seneca)

Belebte Straßenkreuzung in der Stadt von oben

In diesem Blogartikel möchte ich eine Übung vorstellen, die dabei hilft, gelassener mit unangenehmen Gedanken umzugehen. Denn allzu häufig neigen wir dazu, in das Gedankenkarussell einzusteigen, das unser Verstand tagtäglich in Gang setzt. Runde um Runde fahren wir damit im Kreis, obwohl uns bewusst ist, dass uns dabei am Ende nur schlecht wird und wir nicht vom Fleck kommen. In diesem Fall haben unsere negativen Gedanken die Macht über uns übernommen. Dann fühlen wir uns hilflos ausgeliefert und tun uns enorm schwer damit, aus dem Gedankenkarussell auszusteigen, da die nötige Distanz zum Geschehen fehlt. Die folgende Übung soll Ihnen aufzeigen, wie Sie diese Distanz zu den eigenen Gedanken wieder zurückerlangen, um gelassener und selbstbestimmter mit all dem „Lärm“ in unserem Kopf umzugehen.


Diese Übung lässt sich am besten an einem belebten Ort umsetzen, z.B. auf einem öffentlichen Platz, in einem gut besuchten Park oder auf einer Fußgängerbrücke mit Blick auf eine vielbefahrene Straße. Ein Ort, den ich als perfektes Beispiel für diese Übung beschreiben möchte, ist der Balkon meines Zuhauses. Von diesem aus blicke ich auf eine belebte Straße in der Innenstadt, die über eine Brücke auf die andere Seite des Mains führt. All das, was sich hier tagtäglich abspielt, ist gewissermaßen ein Sinnbild eines permanent beschäftigten Verstandes:


Zahlreiche Autos fahren im Minutentakt über die Brücke. Motorräder machen mit knatterndem Motor lautstark auf sich aufmerksam. Fußgänger und Fahrradfahrer wuseln beschäftigt durch die Straße. In regelmäßigen Abständen ertönt das metallische Schleifen einer vorbeifahrenden Straßenbahn. Ab und an rasen Polizeiautos mit Blaulicht vorbei oder der schrille Klang einer Sirene schallt durch die Luft, weil Notarztwägen vom gegenüberliegenden Krankenhaus in alle Himmelsrichtungen ausströmen. Schwer beladene LKWs und Sightseeing-Busse voller Menschen tuckern gemächlich über die Brücke – selten aber auch nahezu geräuschlose Elektro-Autos. Am gegenüberliegenden Flussufer bewegen sich Spaziergänger, Hundebesitzer und Fahrradfahrer als kleine Punkte am Horizont. Zur Rush-Hour staut sich der Verkehr auf der Brücke, Autos hupen in allen erdenklichen Tonlagen und manchmal kommt es sogar zu Auffahrunfällen. Zeitweise finden Bauarbeiten an den Straßenbahngleisen statt, die sowohl die Augen als auch die Ohren in Beschlag nehmen. Am Himmel hinterlassen zahlreiche Flugzeuge weiße Kondensstreifen. Lange Containerschiffe wälzen sich träge flussauf- und flussabwärts und werden von stark motorisierten Sportbooten überholt. Kinder spielen ausgelassen mit einem Ball auf der Grünfläche am diesseitigen Flussufer. Pechschwarze Raben und krächzende Möwen flattern vorbei. Vereinzelt finden sich aber auch kleine Inseln der Ruhe inmitten des hektischen Treibens, z.B. die in der Sonne schimmernden, gleichmäßigen Wellen im Fluss oder die herbstlich gefärbten Blätter der umliegenden Bäume, die sich sanft im Wind wiegen. Doch wirkliche Stille herrscht fast nie.


Kommt Ihnen das bekannt vor? Was tagtäglich in unseren vielbeschäftigten Köpfen abläuft, ist zur eben beschriebenen Szene gar nicht so verschieden. In unserem Geist tummeln sich ebenfalls oft allerlei „Störquellen“, die - mal lauter und mal leiser - unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Manchmal präsentieren sie sich mit voller Stärke, manchmal schwirren sie ganz unterschwellig und geräuschlos im Hintergrund, sind aber dennoch da: Belastende Erinnerungen, Zukunftssorgen, Grübeleien, Hoffnungen und Wünsche, Impulse, kritische innere Stimmen, Gefühle wie Angst oder Ärger usw.


Kann man denn nicht einmal Ruhe von all dem hektischen Treiben haben? Muss man sich wirklich ständig mit dem ganzen Lärm im Kopf herumschlagen? Natürlich könnte ich voller Frustration über das Geschehen beschließen, dagegen Widerstand zu leisten, indem ich mir Ohrstöpsel einsetze, das Großstadtleben verfluche oder vom Balkon herunterrufe, dass sich alle mal ein bisschen leiser verhalten sollen. Ob ich damit Erfolg hätte, wage ich jedoch zu bezweifeln. Ähnlich aussichtslos erweist sich das Bemühen, das eigene Innenleben „ruhigzustellen“: So führt der Versuch, unangenehme Gedanken oder Gefühle „loszuwerden“ (sei es durch Ignorieren, Ablenkung, Unterdrückung, Alkohol usw.) ziemlich sicher dazu, dass diese sich bereits nach kurzer Zeit umso stärker wieder zurückmelden. Was kann man also tun?


So lange ich versuche, gegen das chaotische Treiben vor meinem Balkon Widerstand zu leisten, kämpfe ich innerlich einen ausweglosen und kräftezehrenden Kampf. Die eigentliche Übung besteht also darin, sich bewusst zu machen, dass man sich das Geschehen auch aus der Ferne ansehen kann, ohne selbst daran teilzunehmen. Anstatt also ein Problem daraus zu machen und innerlich (oder äußerlich) auf die Barrikaden zu gehen, mache ich mir klar, dass ich mich ja gerade (mit einem leckeren Kaffee in der Hand) auf meinem Balkon befinde und das turbulente Geschehen aus „sicherer Entfernung“ von oben betrachten kann. Um eine solche Beobachterposition zum (äußeren oder inneren) Geschehen einzunehmen, ist jedoch ein gewisses Maß an Achtsamkeit erforderlich. Es muss in diesem Augenblick bewusst sein: Dort ist das Chaos (egal ob auf der Straße oder im Kopf) und hier bin ich, der das Ganze wahrnimmt. Wenn diese Unterscheidung nicht gelingt, werden wir sozusagen zur Einheit mit dem Chaos und fangen an, darunter zu leiden.


Auf diese Art können wir nun also auch mit unangenehmen Gedanken umgehen: Dort sind die Gedanken und hier bin ich, der sie wahrnimmt. Ohne sie zu bewerten. Ohne sie zu problematisieren. Ohne in irgendeiner Weise auf sie zu reagieren.


Die Aufmerksamkeit geht also weg vom Inhalt der Gedanken und hin zum Prozess des Denkens, welcher aus der Distanz heraus wahrgenommen wird. Das hat übrigens nichts mit einem Unterdrücken oder Ignorieren von Gedanken zu tun. Nehmen Sie jeden Gedanken aufmerksam wahr, so wie ich täglich das Großstadttreiben von meinem Balkon aus wahrnehme. Doch wahren Sie dabei Ihre innere Distanz zum Geschehen! Denn genau so verlieren negative Gedanken schließlich ihre Macht über uns.


Dass unser Verstand immer wieder neue Gedanken hervorbringen wird, ist völlig normal und lässt sich nicht willentlich steuern. Wie wir auf diese inneren Erfahrungen reagieren, lässt sich jedoch sehr wohl beeinflussen! Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Gedanken an sich sind gar nicht das Problem, sondern unser Umgang mit diesen. Üben Sie also, zum Beobachter Ihrer Gedanken zu werden, anstatt auf jeden einzelnen „aufzuspringen“ und sich gedanklich davonreißen zu lassen. Beobachten Sie, statt teilzunehmen!


Abschließend empfehle ich Ihnen noch einen schönen Videoclip, welcher die Idee hinter diesem Blogartikel sehr anschaulich und prägnant aufzeigt:


“Headspace: Changing perspective”: https://www.youtube.com/watch?v=iN6g2mr0p3Q


 

Wenn Sie sich professionelle Unterstützung bei der Überwindung von Ängsten wünschen, dann setzen Sie sich gerne zur Vereinbarung eines unverbindlichen Kennenlerngesprächs mit mir in Verbindung. Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!

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