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Psychische Grundbedürfnisse

“Behandle die Menschen so, als wären sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen so zu werden, wie sie sein können“

(J.W. von Goethe)

Vier Personen umarmen sich und schauen in die Ferne

In diesem Blog-Artikel möchte ich auf das Konzept der psychischen Grundbedürfnisse des Menschen eingehen und aufzeigen, warum diese in unserem Leben eine entscheidende Rolle spielen. Sowohl unser langfristiges Wohlbefinden, als auch das Gelingen einer psychologischen Beratung hängen maßgeblich von der Erfüllung dieser psychischen Grundbedürfnisse ab.


Im Vergleich zu den psychischen Grundbedürfnissen sind die körperlichen Bedürfnisse des Menschen wie Hunger, Durst oder Schlaf sehr offensichtlich und ihre Nichterfüllung direkt spürbar. Die Erfüllung der körperlichen Grundbedürfnisse ist für den Menschen überlebensnotwenig. Damit vergleichbar hängt von den psychischen Grundbedürfnissen vor allem unser mentales Wohlergehen ab. Denn die Frustration psychischer Grundbedürfnisse, vor allem in der sensiblen Phase der Kindheit und Jugend, trägt oft maßgeblich zur Entstehung psychischer Erkrankungen und Probleme im Erwachsenenalter bei.


Das Konzept der Grundbedürfnisse wurde stark von dem Schweizer Psychotherapeuten Klaus Grawe geprägt. Er identifizierte in seinen Forschungsarbeiten die folgenden vier psychischen Grundbedürfnisse des Menschen, die eng miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen:

Abbildung: Die vier psychischen Grundbedürfnisse
Die vier psychischen Grundbedürfnisse

1. Grundbedürfnis: Bindung

Das Bedürfnis nach Bindung spielt sowohl innerhalb der Menschheitsgeschichte als auch unter den vier Grundbedürfnissen die wohl bedeutsamste Rolle. Bindung bezieht sich auf unser natürliches Bedürfnis nach Zuwendung und positivem Kontakt mit anderen Menschen. Insbesondere in der Kindheit ist die Erfüllung des Bindungsbedürfnisses durch eine oder mehrere zuverlässige Bezugspersonen überlebensnotwendig für das heranwachsende Kind – nimmt aber auch im Erwachsenenalter eine wichtige Schlüsselrolle für die psychische Gesundheit ein.

Zwei Personen, die sich nebeneinander umarmen

Umsetzung in der psychologischen Beratung: Die gemeinsame Arbeitsbeziehung zwischen Klient/in und Berater kann ebenfalls als Bindungserfahrung verstanden werden. Ein vertrauensvolles, positives Arbeitsbündnis ist die Grundvoraussetzung für den langfristigen Erfolg der gemeinsamen Zusammenarbeit. Durch die Ausrichtung der Beziehung auf die persönlichen Ziele, Motive und Fähigkeiten des/r Klienten/in wird somit erst der Raum für eine erfolgreiche Problembearbeitung geschaffen. Dies kann erst dann gelingen, wenn sich der/die Klient/in im Rahmen der Beratung vorbehaltlos angenommen und wertgeschätzt fühlt. Bereits im Erstkontakt einer psychologischen Beratung entscheidet sich oft, ob die „Chemie stimmt“ und somit die notwendige Voraussetzung für eine weitere Beratung gegeben ist.


2. Grundbedürfnis: Kontrolle bzw. Autonomie

Dieses Grundbedürfnis beschreibt das Bestreben, auf das eigene Verhalten und die persönlichen Umstände selbstständig einwirken zu können (Stichwort: Selbstwirksamkeit), anstatt fremdbestimmt und somit abhängig von anderen zu handeln. Zu einer Frustration dieses Grundbedürfnisses führen z.B. Bevormundung oder starre Regeln und Vorgaben von außen. Nun könnte man sich fragen: Steht das oben beschriebene Bindungsbedürfnis somit im Widerspruch zum Autonomiebedürfnis? Nicht unbedingt – eher stellt das eine die Voraussetzung für die das andere dar. Denn nur mit ausreichender Bindungssicherheit zu wichtigen Bezugspersonen ist der Mensch in der Lage, eigenständig und unabhängig zu handeln.

Kind wird am Arm über Holzstamm geführt

Umsetzung in der psychologischen Beratung:

Das Bedürfnis nach Kontrolle und Autonomie wird einerseits durch ein transparentes, strukturiertes Vorgehen im Beratungsprozess sowie andererseits durch die aktive Teilhabe und Mitbestimmung des/r Klienten/in an den Abläufen gewürdigt. Diese/r ist also aktiv am Beratungsprozess beteiligt und weiß jederzeit, was in der Beratung passiert und warum. Zudem wird die Autonomieentwicklung dadurch gefördert, dass regelmäßig Aufgaben und Übungen mitgegeben werden, um den eigenständigen Transfer des Gelernten auf den Alltag zu erleichtern. Durch diese Hilfe zur Selbsthilfe sollen Klient/innen langfristig in die Lage versetzt werden, ihre Probleme selbstständig zu bewältigen. Eine stabile und verlässlichen Beratungsbeziehung (= Bindungsbedürfnis) zwischen Klient/in und Berater erleichtert diesen Schritt in die Autonomie oftmals deutlich.


3. Grundbedürfnis: Selbstwert

Das uns innewohnende Streben nach Schutz bzw. Erhöhung unseres Selbstwertes ist ein weiteres zentrales Grundbedürfnis, dessen Frustration (z.B. durch übermäßige Kritik oder Gewalterfahrungen) oftmals vielfältige psychische Probleme nach sich zieht. Umgekehrt gilt ein stabiles Selbstwertempfinden als Schutzfaktor gegen psychische Belastungen. Die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls hängt auch hier wieder von der Erfüllung der anderen psychischen Grundbedürfnisse ab, insbesondere dem Bindungs- und Autonomiebedürfnis.

Mann freut sich mit stolzer Pose

Umsetzung in der psychologischen Beratung:

Die Beziehungsgestaltung in der psychologischen Beratung zielt auf eine Förderung des Selbstwertempfindens ab, indem individuelle Stärken und Ressourcen aktiviert und erfahrbar gemacht werden. Die wertschätzende Anerkennung der vorhandenen Fähigkeiten und Potenziale durch den Berater kann einen großen Beitrag zur Erfüllung des Selbstwertbedürfnisses leisten.


4. Grundbedürfnis: Lustgewinn

bzw. Unlustvermeidung

Menschliche Erfahrungen werden in der Regel einer von zwei Kategorien zugeordnet: „Gut“ oder „schlecht“. Wir Menschen haben eine natürliche Tendenz zur Annäherung an positive Zustände und zur Vermeidung negativer Zustände. Wird dieses Streben nach Lustgewinn bzw. Unlustvermeidung durch äußere Umstände behindert (z.B. durch emotionale oder körperliche Gewalt), kommt es zu einer Frustration dieses Grundbedürfnisses, was unser psychisches Wohlergehen nachhaltig beeinträchtigen kann.

Kind springt in eine Pfütze

Umsetzung in der psychologischen Beratung:

Ziel einer Beratung ist die Förderung angenehmer Gefühlszustände (z.B. Freude, Stolz) durch das Erreichen der gesetzten Ziele. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass Probleme in der Beratung außer Acht gelassen werden oder die Beratung immer nur „angenehm“ abläuft. Denn persönliche Weiterentwicklung kann durchaus schmerzhaft und mit diversen Hürden verbunden sein. Daher werden die vorliegenden Probleme des/r Klient/in stets im Rahmen aktivierter Ressourcen bearbeitet, sodass die „Bilanz“ aus positiven und negativen Zuständen grundsätzlich positiv ausfällt.


Fazit:

Sie haben nun erfahren, wie wichtig die Erfüllung der psychischen Grundbedürfnisse für Ihre mentale Gesundheit und Lebenszufriedenheit ist. Die gute Nachricht ist, dass dieser Prozess in Ihrer Hand liegt, ganz unabhängig davon, wie in der Vergangenheit mit Ihren Grundbedürfnissen umgegangen wurde. Es ist also nie zu spät, die eigenen psychischen Grundbedürfnisse stärker in den Fokus zu rücken – so wie Sie das bei Ihren körperlichen Grundbedürfnissen ja auch tun. Hunger, Durst und Schlaf würden Sie doch auch nicht über Wochen, Monate oder gar Jahre ignorieren, oder?


 

Für professionelle Unterstützung bei der Überwindung Ihrer Ängste stehe ich Ihnen im Rahmen meines Beratungsangebotes gerne zur Verfügung. Setzen Sie sich gerne zur Vereinbarung eines unverbindlichen Kennenlerngespräches mit mir in Verbindung. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme!

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