Erkennen Sie sich in den folgenden Fragen wieder?
1. Fällt es Ihnen beim Gedanken an Ihre Zukunft oftmals schwer, die möglichen positiven Aspekte wahrzunehmen, während Gedanken über potenzielle Hindernisse, Probleme oder Gefahren scheinbar mühelos in Ihr Bewusstsein treten?
2. Malen Sie sich oftmals gedankliche Katastrophenszenarien aus, wenn Sie dabei sind, ein persönliches Vorhaben in die Tat umzusetzen?
3. Zweifeln Sie oft an sich und Ihren Entscheidungen, wenn die Dinge nicht nach Plan laufen?
4. Fällt es Ihnen schwer, Veränderungen in Ihrem Leben vorzunehmen und beizubehalten, weil Sie befürchten, zu scheitern oder fangen deshalb gar nicht erst an?
5. Beklagen Sie sich häufig über Dinge, die Ihnen widerfahren oder empfinden Sie eine grundsätzliche Unzufriedenheit über die Umstände Ihres eigenen Lebens, auch wenn scheinbar alles gut läuft? Kennen Sie andere Menschen, auf die das zutrifft?
6. Haben Sie häufig Angst davor, ein lohnenswertes Risiko einzugehen, weil Ihnen die Gefahr eines Misserfolges zu groß erscheint?
7. Ruft die Ungewissheit über zukünftige Ereignisse bei Ihnen eher Angst und Sorge hervor anstatt Neugier und Zuversicht?
Wenn Sie eine oder mehrere dieser Fragen mit „ja“ beantwortet haben, dann seien Sie versichert: Sie sind bei Weitem nicht alleine. Eine im Jahr 2005 von der National Science Foundation veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass jeder Mensch im Durchschnitt zwischen 12 000 und 60 000 Gedanken pro Tag hat, von denen ca. 80% negativ sind. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass Angststörungen – gefolgt von Depressionen – zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit zählen...
Das menschliche Denken scheint also von Grund auf deutlich stärker auf Probleme, mögliche Bedrohungen oder Risiken fixiert zu sein, als auf die positiven Aspekte unseres Lebens. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass negative Erfahrungen oftmals deutlich intensiver wahrgenommen werden im Vergleich zur Freude, die wir bei schönen Erlebnissen empfinden. Das Vermeiden leidvoller Erfahrungen besitzt dadurch offensichtlich einen höheren Stellenwert, als das Anstreben freudvoller Erlebnisse (ein Umstand, den man als Verlustaversion bezeichnet).
Doch warum ist das eigentlich so? Wäre das Leben nicht viel einfacher, wenn da nicht ständig diese wiederkehrenden Sorgen, (Selbst-)Zweifel und Ängste wären? Wenn wir – bildhaft gesprochen – nicht ständig das Haar in der Suppe sehen würden? Wenn wir bei allem, was wir uns vornehmen, immer vom Besten ausgehen und voller Optimismus und Tatendrang durchs Leben gehen würden?
Das wäre ohne Frage ein erstrebenswerter Zustand, der uns viel Kummer und Leid ersparen würde. Doch das war nicht immer so eindeutig, wie ein Blick auf unsere stammesgeschichtlichen Vorfahren zeigt…
Immer auf der Hut:
Versetzen Sie sich gedanklich einmal in die Haut eines unserer Steinzeitvorfahren. Es ist tiefste Nacht und Sie wachen plötzlich aufgrund eines raschelnden Geräusches in der Nähe auf. Außer den glimmenden Überresten Ihrer Feuerstelle können Ihre Augen in der Finsternis kaum etwas wahrnehmen. Doch Ihre Ohren vernehmen noch immer ein rätselhaftes Rascheln in den umliegenden Büschen. Sie könnten sich natürlich denken, dass es sich nur um den Wind handelt, der durch die umliegenden Büsche weht, und sich daraufhin wieder schlafen legen. Allerdings würden Sie damit ein großes Risiko eingehen, den nächsten Morgen nicht mehr zu erleben. Die Wahrscheinlichkeit, durch mangelnde Wachsamkeit einem hungrigen Raubtier zum Opfer zu fallen, war für unsere Steinzeitvorfahren nämlich Tag und Nacht gegeben. Ein Gehirn, das in diesem Augenblick zu unvorsichtig oder optimistisch reagiert („da wird schon nichts Schlimmes sein“) wäre angesichts dieser allgegenwärtigen Gefahr schnell von der Evolution „aussortiert“ worden. Es hat sich also stammesgeschichtlich durchaus bewährt, ein genaues Auge auf alle möglichen Risiken und Bedrohungen zu haben und lieber einmal mehr „falschen Alarm“ zu schlagen, als einmal zu wenig. Kommt Ihnen dieser Mechanismus bekannt vor? Ja, mir auch…
„Reacting to danger or loss is hardwired into our nervous system“
Dr. Fred Luskin (amerikanischer Psychotherapeut)
Um also die eingangs aufgeworfene Frage nach der Ursache unseres negativen Denkens zu beantworten: Unser Gehirn ist von Natur aus auf das Erkennen möglicher Bedrohungen programmiert. Es ist nicht darauf ausgerichtet, uns glücklich und zufrieden zu machen, sondern einzig und allein, um unser Überleben sicherzustellen!
Und genau das hat es über viele Jahrhunderte hinweg als „Gefahrendetektor“ erfolgreich getan, sonst würden Sie diesen Text gerade nicht lesen… Der Nachteil an diesem hochsensiblen Gefahrenwarnsystem ist jedoch, dass sich dieses bis zum heutigen Tag nicht ansatzweise verändert hat. Unsere Lebensbedingungen hingegen haben sich im Verlaufe der Menschheitsgeschichte drastisch zum Positiven gewandelt. Oder wann hatten Sie zuletzt Angst, nachts von einem Raubtier im Schlaf überfallen zu werden…?
Ängste und negative Aufmerksamkeit als Folgen:
Das „Gefahrenwarnsystem“ in uns ist also in der modernen Welt nur noch selten nötig und dennoch hat es eine enorme Macht über uns, weil wir uns dessen oftmals gar nicht bewusst sind. Ohne das Verständnis über die Funktionsweise unseres „steinzeitlichen“ Gehirns, läuft man leicht Gefahr, jeden „Fehlalarm“ unseres Gehirns als Anzeichen einer tatsächlichen Bedrohung zu interpretieren. Dann kann unser Körper gar nicht anders, als mit Angst zu reagieren. Im Laufe der Zeit verfestigt sich dieser Bedrohungsfokus dann mehr und mehr, und zwar durch das wiederholte „Trainieren“ der eigenen Aufmerksamkeit in der Wahrnehmung möglicher Bedrohungen. Schließlich wird angstvolles bzw. negatives Denken zur Gewohnheit, sodass wir mögliche Risiken und Probleme schneller, häufiger und intensiver wahrnehmen. Ein Teufelskreis aus negativem Denken und einer erneuten Aktivierung unseres inneren Alarmsystems ist entstanden.
Den Kreislauf der Angst durchbrechen:
Was also tun, um aus diesem Teufelskreis auszubrechen? Aus dem bisher Beschriebenen lässt sich ein ganz zentraler Aspekt zur Angstbewältigung ableiten: Um Ängste abzubauen, muss sich unser bedrohungssensitives Gehirn in Sicherheit fühlen. In dem Augenblick, in welchem das Gehirn registriert, dass das permanente „Auf-der-Hut-sein“ nicht mehr nötig ist, beginnt es sich allmählich zu entspannen und der Teufelskreis wird unterbrochen.
Es liegt nun an Ihnen, Ihrem Gehirn beizubringen, sich wieder sicher zu fühlen und dadurch auch Ihrem Körper zu erlauben, sich zu erholen und zu entspannen. Stellen Sie sich dazu einmal folgende Fragen: Wann, wo, mit wem und wobei fühlen Sie sich in Ihrem Alltag am wohlsten und „sichersten“? Bei welchen Aktivitäten können Sie am besten abschalten, genießen und entspannen?
Keine Sorge, falls Ihnen nicht direkt Antworten in den Sinn kommen. Nachfolgend finden Sie einige Anregungen zum „Dämpfen“ der Lautstärke unseres inneren Alarmsystems.
Empfehlungen zum Abbau von Ängsten und Sorgen:
„Die innere Gegenstimme zu Wort kommen lassen“: Was würde der angstfreie Teil Ihres Gehirns zur vorliegenden Situation sagen? Wo liegen mögliche Chancen anstatt Risiken? Was spricht gegen Ihre negativen Annahmen und Erwartungen?
„Den Spieß umdrehen“: Versuchen Sie einmal, sich (anstelle des Worst-Case-Szenarios) den erfolgreichen Verlauf eines bevorstehenden Ereignisses möglichst lebhaft vorzustellen und Ihre Empfindungen dabei bewusst wahrzunehmen. Viele Spitzensportler trainieren erfolgreich mit derartigen Visualisierungen.
„Nicht jeden Gedanken glauben“: Sobald Ihr inneres Warnsystem Alarm schlägt, betrachten Sie Ihre Umstände einmal ganz nüchtern und sachlich. Machen Sie sich klar, dass Ihr wachsames Gehirn lediglich sein übliches Programm abspult – jedoch ohne tatsächliche Gefahr. Nehmen Sie also nicht jeden angstvollen Gedanken „für bare Münze“. Wann immer ein sorgenvoller Gedanke auftritt, etikettieren Sie diesen einfach als „Gedanke“ ohne auf seinen Inhalt zu reagieren.
„Gefühle benennen statt zu bewerten“: Anstatt Ihre Gefühle zu bewerten und danach zu streben, sie zu vermeiden („Wie furchtbar, dass ich schon wieder Angst erlebe, das hört ja nie auf, ich muss etwas dagegen tun“), benennen Sie diese neutral („Da ist Angst“) und beobachten dabei Ihre Empfindungen ohne innerlich Widerstand zu leisten. Registrieren Sie, wie sich Ihre Gefühle verändern, wenn Sie sie zulassen und ihnen Raum geben.
„Positive Aufmerksamkeitslenkung“: Trainieren Sie Ihr Gehirn darauf, die schönen Momente des Alltages wahrzunehmen und halten Sie diese fest. Notieren Sie hierzu in einem kleinen Notizbuch regelmäßig Glücksmomente, persönliche Erfolge und Dinge, für die Sie dankbar sind – auch wenn diese noch so klein zu sein scheinen.
„Auf den Pause-Knopf drücken“: Halten Sie mehrmals täglich kurz inne und nehmen ein paar bewusste, tiefe Atemzüge. Erlernen Sie ein Entspannungsverfahren (z.B. Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training) und wenden Sie dieses täglich an. Oder wie wäre es mit einem Achtsamkeitsspaziergang durch die Natur, bei dem Sie sich ganz bewusst auf Ihre Sinneswahrnehmungen im Hier und Jetzt konzentrieren?
„Genussvolle Momente erleben“: Gönnen Sie sich genussvolle Momente im Alltag und lernen Sie, auf Ihre eigene Art zu genießen. Sei es durch gutes Essen, ein warmes Bad, das Hören Ihrer Lieblingsmusik, eine herzliche Umarmung, körperliche Nähe und Sexualität, ein Schwelgen in angenehmen Erinnerungen, ein Sonnenbad, gute Gespräche, Ihre Lieblingslektüre usw...
Ein wichtiger Hinweis zum Abschluss: Die oben genannten Vorschläge eignen sich nicht als schnelle Lösungen oder Techniken zur raschen Beseitigung von Angst. Stattdessen sollten Sie diese – unabhängig von bestimmten Situationen – regelmäßig in Ihren Alltag einfließen lassen um Ihre Grundanspannung langfristig zu senken. Seien Sie neugierig, probieren Sie Verschiedenes aus und finden Sie Ihren ganz persönlichen Weg zu mehr Wohlbefinden im Alltag. Dabei gilt: Übung macht den Meister. Seien Sie geduldig und geben Sie Ihrem Gehirn Zeit, sich „abzukühlen“. Machen Sie Entspannung zu einer neuen Gewohnheit – Ihr überarbeitetes inneres Alarmsystem wird es Ihnen danken!
Falls Sie sich professionelle Unterstützung bei der Überwindung von Ängsten und damit verbundener Probleme im Rahmen einer psychologischen Beratung wünschen, dann nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf. Ich freue mich auf Sie!
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