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AutorenbildFelix Michael Kolb

Bilanz ziehen: Angst vs. Selbstbestimmung

In diesem Artikel möchte ich Ihnen eine Übung vorstellen, die zweierlei erfordert – zum einen den Mut, ehrlich zu sich selbst zu sein und den Tatsachen ins Auge zu sehen und zum anderen die Bereitschaft zu entschlossenem Handeln im Anschluss. Diese Übung soll Ihnen einerseits vor Augen führen, welche Kosten die Vermeidung von Angst im Laufe Ihres Lebens mit sich bringt und auf der anderen Seite, welche Möglichkeiten Ihnen offenstehen, wenn Sie Ihrer Angst keine Macht über Ihr Leben mehr geben, sondern ihre Wünsche und Ziele entschlossen anstreben.

Hierzu möchte ich Sie zunächst bitten, zwei Seiten Papier und einen Stift zur Hand zu nehmen und sich auf folgendes Gedankenexperiment einzulassen:


Ein von Angst bestimmtes Leben:

Stellen Sie sich zunächst möglichst lebendig vor, wie Ihr Leben zukünftig aussehen wird, wenn Sie der inneren Stimme Ihrer Angst Gehör und Glauben schenken und weiterhin alles daransetzen, das Gefühl von Angst zu kontrollieren oder zu unterdrücken. Welchen Preis werden Sie für all diese Bemühungen zahlen, um Angst und ihre Begleiterscheinungen zu vermeiden? Versuchen Sie möglichst konkret zu beschreiben, welche Opfer die Angst von Ihnen verlangt, um Sie (zumindest kurzfristig) in Ruhe zu lassen.


Vergegenwärtigen Sie sich zunächst die Einbußen und Probleme im zwischenmenschlichen Bereich, die aus anhaltenden Vermeidungstendenzen resultieren, sei es in Bezug auf Partnerschaft, Familie oder Freundschaften.


Welche negativen (oder zumindest suboptimalen) Auswirkungen wird Ihre Angst auf Ihre berufliche Zufriedenheit haben? Welche Kosten im Hinblick auf die Freude an Ihrer Arbeitstätigkeit, die Qualität Ihrer Arbeit, Ihr Einkommen und Ihr zwischenmenschliches Arbeitsumfeld nehmen Sie in Kauf, weil Sie sich von Ihrer Angst leiten lassen? Welche negativen langfristigen Auswirkungen wird dies nach sich ziehen (z.B. Stress, Konzentrationsprobleme, Unzufriedenheit, Konflikte…)?


Welchen Preis werden Sie für den konstanten Kampf mit Ihrer Angst in Form gesundheitlicher Probleme bezahlen? Denken Sie hierbei z.B. an stressbedingte Beschwerden wie Schlafstörungen oder Herz-Kreislauf-Beschwerden. Welche negativen Auswirkungen wird der Versuch, Ängste zu vermeiden oder zu verdrängen, in diesem Lebensbereich nach sich ziehen (z.B. in Form übermäßigen Essens oder eines schädigenden Gebrauchs von Alkohol, Medikamenten oder Drogen)?


Wie wird es um Ihr allgemeines Wohlbefinden und Ihre Lebensenergie aussehen? Wie viel mentale und körperliche Energie verlangt Ihnen der ständige Kampf mit der Angst ab, z.B in Form von Sorgen, Selbstzweifeln oder Versuchen, Angst zu kontrollieren, zu verbergen oder zu unterdrücken?


Welche emotionalen Kosten werden Sie in Kauf nehmen müssen, weil Sie Ihrer Angst erlauben, Ihr Leben zu bestimmen? Werden Dinge, die Sie aufgrund Ihrer Angst getan oder vermieden haben, zu Schuldgefühlen oder dem Gefühl von Reue über verpasste Chancen führen? Oder sind Emotionen wie Scham, Frustration, Niedergeschlagenheit, Wut oder Ärger vorrangig?


Mit welchen finanziellen Einbußen wird Ihr Kampf um ein (vermeintlich) angstfreies Leben einhergehen? Ziehen Sie zuletzt auch die Kosten in Form verpasster Möglichkeiten (sog. Opportunitätskosten) in Betracht. Welche Freiheiten, Möglichkeiten und Chancen auf mehr Lebenszufriedenheit bleiben Ihnen durch die angstbedingte Vermeidung verwehrt, z.B. bezüglich Ihrer Bewegungsfreiheit und der Umsetzung persönlicher Träume und Ziele?


Notieren Sie schließlich alles, was Ihnen zu den genannten Fragen einfällt, auf dem ersten Blatt Papier unter der Überschrift „Meine Kosten für ein von Angst bestimmtes Leben“.


An dieser Stelle noch einmal der Hinweis: Seien Sie ehrlich zu sich selbst, auch wenn schmerzliche Gefühle bei dieser Konfrontation mit den Kosten des Kampfes mit der Angst aufkommen (was vollkommen in Ordnung und normal ist). Im Grunde genommen ist dies bereits Ihre erste Gelegenheit, sich darin zu üben, unangenehme Gefühle zuzulassen, anstatt diese um jeden Preis zu vermeiden. Dies bedeutet jedoch nicht, sich in Selbstvorwürfe oder Verbitterung hineinzusteigern. Der Sinn dieser Übung besteht nicht darin, dass Sie sich schlecht fühlen, sondern vielmehr, dass Sie sich aufrichtig mit den möglichen langfristigen Konsequenzen einer Gefühls- und Erlebnisvermeidung auseinandersetzen.

Tun Sie sich selbst den Gefallen, erst dann weiterzulesen, wenn Sie den ersten Teil dieser Übung – also das Aufschreiben aller durch Angst und Vermeidung verursachten Kosten – erledigt haben (Sie erinnern sich: es geht darum, Vermeidung aufzugeben und entschlossen zu handeln, also ran an Papier und Stift!).

 

Geschafft?! Herzlichen Glückwunsch! Den schwierigsten Teil dieser Übung haben Sie erfolgreich gemeistert. Lassen Sie uns nun zum angenehmeren Teil übergehen:


Ein selbstbestimmtes Leben:

Noch einmal möchte ich Sie darum bitten, sich vor Augen zu führen, wie Ihre Zukunft aussehen wird. Diesmal allerdings unter der Prämisse, dass Sie selbst das Ruder in die Hand nehmen und Ihrer Angst keine Chance mehr geben, Ihre Pläne und Wünsche zu durchkreuzen. Entwerfen Sie ein möglichst präzises Bild von den Möglichkeiten, die sich Ihnen bieten werden, wenn Sie Ihr Leben nicht mehr von der Angst diktieren lassen. Wohlgemerkt: Letzteres ist nicht gleichbedeutend mit Angstfreiheit, sondern meint vielmehr, sich von Angst nicht mehr von einem erfüllten, sinnhaften Leben nach den eigenen Vorstellungen abhalten zu lassen. Gehen Sie noch einmal gedanklich Ihre verschiedenen Lebensbereiche durch. Vergegenwärtigen Sie sich diesmal jedoch die Chancen und Vorzüge eines aktiven und „gelebten“ Lebens:


Wie gestaltet sich Ihr Sozialleben? Mit wem verbringen Sie Ihre Zeit? Welche Veränderungen nehmen Ihre Mitmenschen an Ihnen wahr und wie reagieren diese darauf? Welche positiven Auswirkungen hat beispielsweise Ihre Bereitschaft, offen Ihre Meinung zu äußern und für Ihre Rechte einzustehen, weil Ihre Angst Sie nicht mehr davon abhält?


Wie steht es um Ihre Freizeitgestaltung? Welchen vergnüglichen oder spannenden Aktivitäten gehen Sie nach (möglicherweise sogar zum ersten Mal), weil Angst keinen Hinderungsgrund mehr für Sie darstellt?


Wie sieht ihr Berufsalltag aus? Welche Tätigkeit üben Sie aus und wie ist Ihre Beziehung zu Kollegen/-innen und Vorgesetzten? Sind Sie selbstständig? Welche Gefühle löst Ihre berufliche Beschäftigung in Ihnen aus (z.B. Stolz, Freude, Dankbarkeit…)? Welches Einkommen können Sie nun für sich beanspruchen, da Sie sich von Ihrer Angst nicht mehr davon abhalten lassen, z.B. um eine Gehaltserhöhung zu verhandeln oder Ihrem persönlichen Traumjob nachzugehen? Mit welchem Selbstbewusstsein treten Sie auf in der Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen und an ihnen zu wachsen?


Wie steht es um Ihr körperliches Wohlbefinden? Welche schädigenden Verhaltensweisen sind nun nicht mehr nötig, um Angst zu verdrängen und was können Sie nun alles zugunsten Ihrer Gesundheit umsetzen? Wofür verwenden Sie Ihre wiedererlangte Lebensenergie?


Welche Gedanken und Gefühle empfinden Sie in dem Wissen, nicht mehr Opfer Ihrer Angst zu sein? Welche Möglichkeiten ergeben sich darüber hinaus noch im Sinne ihrer Ziele und Wünsche? Welche Pläne und Träume setzen Sie nun aktiv in die Tat um, weil Sie den Versuchen Ihrer Angst, Sie davon abzubringen, kein Gehör mehr schenken? Welche schönen Erfahrungen und Glücksmomente lassen sich nun erleben, weil Ihre Angst Ihnen den Zugang zu diesen nicht mehr versperrt?


Seien Sie auch hier wieder möglichst spezifisch und notieren Sie all Ihre Gedanken auf dem zweiten Blatt Papier unter der Überschrift „Mein Lohn für ein selbstbestimmtes Leben“. Beobachten Sie auch bei diesem Teil der Übung die aufkommenden Gefühle und Körperempfindungen. Möglicherweise stellen Sie eine deutliche Veränderung Ihres emotionalen Erlebens fest im Vergleich zum ersten Teil dieser Übung. Vielleicht hat sich sogar Ihre Körperhaltung verändert und ein Gefühl von Handlungsbereitschaft und Zuversicht hat sich eingestellt. Im Optimalfall fühlen Sie sich nun inspiriert und motiviert, diese zweite Version Ihrer selbst Wirklichkeit werden zu lassen.


Fazit:

Fragen Sie sich daher bei jedem Gedanken oder Impuls, den Sie im Zusammenhang mit Ihrer Angst verspüren: Welcher der beiden Versionen meiner Selbst bringt mich dieser Gedanke oder dieses Verhalten näher? Vermeide ich gerade oder nähere ich mich meinen Zielen? Engt sich mein Leben durch mein Verhalten (oder Nicht-Verhalten) ein oder eröffnen sich mir neue Möglichkeiten?


Ziehen Sie regelmäßig Bilanz bezüglich Ihres Umgangs mit Angst und stellen sich die Frage: Zahle ich einen zu hohen Preis oder erhalte ich etwas zurück vom Leben?

 

Gerne unterstütze ich Sie im Rahmen meines Beratungsangebotes auf Ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben, in welchem Angst kein Hindernis mehr darstellt. Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!

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